Was ist los mit unserem Brot?

04.06.2015 09:04

Brot schmeckt nicht mehr wie früher

 

Seit Monaten ist mir das Frühstück verleidet, denn, ich finde kaum einen Genuss mehr an den auf dem Tisch stehenden Backwaren: seien es Brötchen, sei es Brot!

Ein herber Verlust an Lebensqualität, wie ich meine! Früher hatte das Brot ein Aroma, das man hier nicht zu Papier bringen kann, es schmeckte jedenfalls, je nach Rezept des Bäckermeisters, immer auch nach dem verwendeten Getreide. Doch frisches, kräftiges und duftendes Brot, dessen Geschmack nach Roggen oder Weizen mich früher mit dem naturbelassenen Aroma des Getreides jeden Tag neu erfreute, scheint nun der Vergangenheit anzugehören. Muss das sein??

Zumeist sind die Brötchen außen sehr hell, kaum mit einer aromatischen Kruste versehen und zudem innen nur noch halb gar. Sollen sie dann mit Butter beschmiert werden, sind es nur noch flache zähe "Teigfladen". Im Geschmack: völlig ohne!

Die Bissen danach drei- bis viermal gekaut, hat man mehr eine teigige-klitschige Masse, ein eher klebriger Klumpen im Mund, als das Ergebnis eines durchgebackenen Brot- oder Brötchenbissens.

Also versuchte ich es nun im Bäckerladen mit den Beiworten, "...aber bitte dunkel gebacken!" – und erhoffte mir wenigstens gar gebackene Brötchen. Doch das Ergebnis schwankte nun zwischen mittelbraun, über dunkelbraun bis hin zu schwarz, das heißt, es war fast angebrannt.

Ich führe das auf den neuen Trend des kleinen elektrischen Ofens im Bäckerladen zurück - der lediglich Strahlungshitze anstatt Klimahitze wie beispielsweise beim Steinofen abgibt.

Mein Einkauf von Brötchen ging daraufhin rapide zurück, denn ich wollte mich nicht schon des Morgens ärgern. Mit Brot machte ich dieselben Erfahrungen. Es ist eine ziemlich geschmacklose bröselige Masse, insbesondere die Kruste ist eine eher zähe Substanz, die man beim Verzehr mit dem Kauen auf einem Lederriemen vergleichen kann. Ich überlegte mir, wenn so etwas Undefinierbares - Brot genannt - so geschmacklos ist, so muss es wohl auch einen kaum nennenswerten Nährwert haben! Gespräche mit anderen Leuten bestätigten mir meinen Befund, was die Substanz und den Geschmack angeht, doch wie es heute so geht, mit der resignierenden abschließenden Bemerkung: "...man kann ja doch nichts dagegen machen!"

Nun wollte ich der Sache auf den Grund gehen, ich forschte also nach, warum unser Brot nicht mehr so ist wie früher. Zunächst kaufte ich Brot und Brötchen bei mehreren anderen Bäckern. Die Erfahrungen waren erstaunlicherweise die gleichen. Das Brot schmeckte überall gleich! Ob es Eifeler- Bauern- Misch- oder Roggenbrot, oder sonst welches war, man erkannte kaum einen Unterschied. Wozu dann aber die vielen Namen?

Nun aber kam mir der Zufall zur Hilfe. Vor einer Bäckerei stand ein Lkw einer Bäckerei-Einkaufsgenossenschaft und man lud dort Mehl ab. In braunen Papiersäcken, wie man sie von Zementsäcken her kennt. Mir fiel ins Auge, was auf den Säcken in großen Lettern stand, nämlich das Wort "INSTANT" .

Daraufhin fiel es mir wie Schuppen von den Augen: "Instant"? Das kannte ich doch schon vom Nesskaffee her? Zuhause angekommen blätterte ich sofort im Lexikon das Wort "Instant" nach - und siehe was stand da?

Instantprodukt = Lebensmittel in Form eines pulverisierten Extrakts, das durch Hinzufügen von Flüssigkeit in kürzester Zeit zum Genuss bereit ist". So "Meyers großes Handlexikon" 1997.

Ich folgere: Unser Brot ist also "pulveresierter Extrakt"!! Was schlicht auch bedeutet, dass es nach einem Einheitsrezept hergestellt ist, weshalb das Backergebnis der einzelnen Bäcker dann auch überall gleich schmeckt! Dem mit chemischen Backtriebmitteln vermischten Fertigmehl werden lediglich als Variation unterschiedliche Zusätze hinzu gegeben. Probieren Sie es doch an Ihrem Ort auch einmal! Wenn es nicht so ist, dann leben sie in der Tat noch in einer richtigen „Naturbrot-Oase“!

In jedem Fall ist der Brotkunde nicht nur der geschmacklich, sondern auch der auch gesundheitlich Benachteiligte. Und das muss sich ändern!

Quelle: https://www.wfg-gk.de/warum33.html
Anmerkung von Wahrheitssuche:   Das oben Beschriebene bezieht sich nicht auf Brot aus dem Bioladen!

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Industrieprodukt Brot

Die Zutaten eines Backmischbrotes sind oft weder den Kunden noch dem Bäcker in Einzelheiten bekannt und deren Einsatzzweck unklar. Es mangelt an einer Deklarationspflicht für die Inhaltsstoffe.

Zwar gibt es Richtlinien, die regeln, was in welche Brotsorte hineingehört und wie die Handelsnamen lauten dürfen, doch fehlt quasi ein „Reinheitsgebot“, das weitere Zutaten ausschließt. Lediglich die Öko-Bäckereien müssen sich an klare Backrichtlinien halten.

Der Einsatz der Backhilfsmittel hat vorrangig wirtschaftliche Gründe: So werden die Gär- und Backzeiten verkürzt, Backfehler vermieden und die Teigverarbeitung erleichtert.

Das hat natürlich einen Haken: Zum Beispiel wird der ernährungsphysiologische Wert von Vollkornbrot durch den Einsatz von sogenannter Kunstsauer gesenkt, weil die im Vollkorn fest gebundenen Mineralstoffe erst durch die längere Sauerteiggärung der menschlichen Verdauung zugänglich werden. Bei der verkürzten Teigführung werden auch die brottypischen Aromastoffe nicht gebildet. Um diesen Mangel zu beheben, wird durch die Zugabe von Enzymen dem Geschmack ein wenig nachgeholfen.

Eine weitere Folge des Einsatzes von Backmitteln ist die Zunahme von Berufskrankheiten bei Bäckern. Durch die künstliche Anreicherung mit Enzymen im Mehl leiden heute deutlich mehr Bäcker unter Bäckerasthma und Allergien als noch in den 70er Jahren. [...]

Entscheidend sind die Backmittelhersteller, die anschließend aus dem Mehl, verschiedenen Hilfsstoffen, Backtriebmittlen und Enzymen eine Backmischung zusammenstellen. Mit der verlängerten Produktlinie und größeren räumlichen Entferungen gehen vor allem Kundennähe und Transparenz verloren; die Brotherstellung gewinnt industriellen Charakter.

Quelle: Kirsten Wiegmann: Unser täglich Brot unter der Lupe. Eine Broschüre des Instituts für angewandte Ökologie e.V. Darmstadt 2000. (www.oeko.de/service/gemis/files/doku/g4-brot.pdf ).

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Das Ende eines Handwerks

Und dann kommen auch noch die Müller, die das Getreide oft genug sofort vermahlen, „früher lag es nach der Ernte erst mal drei Wochen, um nachzureifen“. Dafür wird dem Mehl dann Ascorbinsäure beigemischt, damit es schneller altert und backfähig wird“, schimpft der Biobäcker Anton Gürtner. [...] Die Großbäckereien wie Kamps oder Müllerbrot böten Einheitsware zu Niedrigpreisen, hergestellt aus tiefgefrorenen Teiglingen, die „zum Teil aus Niedriglohnländern stammen“, klagt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks auf seiner Webseite. Mag ja sein. Trotzdem reagieren die Handwerksbäckereien darauf nicht „mit handwerklicher Topqualität, Service und Vielfalt“, wie der Zentralverband schreibt. Hinter vorgehaltener Hand geben selbst Vertreter der Bäckerinnungen zu, dass ihre eigenen Mitglieder das Handwerk verlernt haben. Auch der gute alte Bäcker von nebenan weiß kaum noch, wie man gute Semmeln backt. [...]

Walter Freund beschrieb das Vordringen der Industrie in die Bäckerstuben in einem Buch. Der Titel: Handwerk ohne Hände. Die Bäcker richteten „ihre Teigqualität zunehmend auf die Bedürfnisse ihrer Maschinen aus“, kritisiert er. Mögen saftige Semmeln auch besser schmecken, automatische Semmelanlagen arbeiten nun mal lieber mit trockenen Teigen. Immer ungenierter greifen Handwerksbäcker auch zu den Tüten von Ireks, Uldo oder Meistermarken. Tüten mit Backmitteln voller synthetisch hergestellter Enzyme und Emulgatoren. Alpha-Amylase, Lecithin, Diacetylweinsäureester, so heißen die neuen Zutaten der Weizensemmel.[...] Die Industrie nennt ihre Mischungen gern Convenience-Produkte. Der Teig sei eine lebendige Masse, entsprechend launisch. Mal geht er auf, mal bleibt er platt, nur weil die Temperatur des hinzugefügten Wassers vielleicht um ein Grad zu kalt ist oder die Luft in der Bäckerei zu feucht. Da muss der Bäcker wissen, wie er am besten reagiert. Oder er hilft sich mit einem Industrieprodukt. Problematisch nur, dass die Handwerkssemmeln dann immer mehr den aufgeblasenen Produkten der Großbäcker gleichen und auch schmecken. [...] 

Was floriert, sind Backmittelfirmen wie Ireks im oberfränkischen Kulmbach. Es vertreibt mehr als 2800 Artikel, Säcke mit Pulvern und Körnern, die ferngesteuerte Roboter in einer sechstöckigen Halle zusammenmischen. Kornländer zum Beispiel, eine „Backmischung für kernige Malz-Mehrkorngebäcke mit Lupinenschrot und Sonnenblumenkernen“ oder „Fitty – das Brötchen mit dem Wellness-Plus!“. Verarbeitungsanleitung liegt bei, damit der ahnungslose Bäcker weiß, wie viel Mehl, Hefe und Wasser er noch zugeben muss, wie lange er den Teig am besten Kneten, ruhen, garen und im Ofen lässt. Menschen in weißen Kitteln haben das Backen übernommen. Lebensmittelingenieure und andere Akademiker, die wenig gemein haben, mit dem gemeinen Bäcker, der vor allem auf seine Sinne setzt, Teige riechen, fühlen, schmecken will und nicht nur im Reagenzglas analysieren. [..]

Für dreitausend Semmeln braucht die vollautomatische Semmelanlage der Fabrik Kamps nicht mal zwanzig Minuten. Die Rezepte schreibt der Computer vor, die Mitarbeiter sind nur noch damit beschäftigt, die Zutaten heranzuschaffen und Teiglinge vom Fließband in die Öfen zu befördern. Ruhezeiten werden dem Semmelteig dabei nicht gegönnt. [...] Auch nicht gerade förderlich für die Frische der Produkte ist, dass hier schon abends produziert wird. Semmeln beginnen nach etwa vier Stunden zu altern, sagt man, aber was hilft's : Von Freiberg aus muss auch die Kamps-Filiale im 220 Kilometer entfernten Bamberg beliefert werden. [...] Die meisten Deutschen hätten jedes Gefühl für angemessene Lebensmittelpreise verloren, kritisiert der Kulmbacher Lebensmitteltechniker Thomas Birus. [..] Wer auf Jagd nach Billigfood sei und damit die Rationalitätsspirale in der Industrie und Landwirtschaft in Gang hält, darf sich nicht beklagen, wenn er dann für weniger Geld auch weniger Qualität bekommt.“ [...]

In diesen Tagen formiert sich von Bochum aus ein Verein mit hehren Zielen. Die gut hundert Mitglieder des „Slow Baking e.V.“ geloben, sich künftig mehr Zeit für die Herstellung ihrer Teige zu nehmen. Viel Zeit bleibt nicht. Schon jetzt sagt fast jeder zweite Jugendliche, auf Bäckereien könne man verzichten. Semmeln gibt’s schließlich überall, zum Beispiel bei McDonald's. Wenn bald niemand mehr weiß, wie eine gute Semmel schmeckt, wer soll sie dann noch kaufen?

Auszüge aus dem Artikel „Wer hat's versemmelt? Irgendjemand muss schuld sein, dass das Frühstück nicht mehr schmeckt. Eine Spurensuche.“ Von Rainer Stadler. Erschienen im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 23. April 2004.

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